27. Apr. 20234 Min.

Reportage: Zu Besuch im Garten der Freude

Aktualisiert: 24. Okt. 2023

Verwahrlosungskultur


 
Das ist eine Reportage von 2014 und den Garten der Freude gibt es so nicht mehr. Ich habe sie aber mit auf den neuen Blog mit umgezogen. Grund: mit Verwahrlosungskultur kann man so viel naturnaher Gärtnern und der Bericht zeigt auch wie. Außerdem war es ein Gemeinschaftsgarten und auch das ist ein tolles Konzept.
 
Ein Garten macht viel Freude. Besonders dann, wenn alles wächst und gedeiht und man vielleicht sogar Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten ernten kann. Das ist nicht nur unschlagbar frisch und schmeckt gut, sondern kann einen richtig glücklich machen.
 
Nur hat leider nicht immer jeder das Glück einen Garten sein Eigen zu nennen. Mittlerweile gibt es aber einige Projekte, die auch diesen Leuten ermöglichen zu gärtnern und anzubauen. Berühmt sind Gemeinschaftsprojekte wie der Prinzessinnengarten in Berlin. Aber vielleicht gibt es das auch in deiner Region, oft initiiert vom Gartenbauverein oder privaten Initiativen.
 
Eine solche private Initiative hat beispielsweise Gerolf Roider mit dem Garten der Freude in Westerham (Feldkirchen - Westerham/ Landkreis Rosenheim) ins Leben gerufen.

3000 Quadratmeter stehen zur Verfügung. Voraussetzung, um mitmachen zu können, ist, dass man biologisch gärtnert, also keinen Kunstdünger, keine Gentechnik oder schädliche Spritzmittel verwendet.
 
Für einen Euro pro Quadratmeter im Jahr kann man sich seinen eigenen Acker mieten, auch wenn er nur einen Quadratmeter klein ist. In manchen Projekten wird das Ackerland jedes Jahr neu verteilt. Hier ist das nicht so. Man hat also den Vorteil, dass man auch mehrjährige Pflanzen wie Himbeeren pflanzen und vermehren kann.

Der Garten der Freude soll, wie der Name schon sagt, Freude machen. Freude macht es allerdings nicht, wenn die Pflanzen nicht wachsen und der grüne Daumen offensichtlich nicht an den eigenen Händen gewachsen ist. Aber hier lässt einen Gerolf Roider nicht im Stich. Jeden zweiten Donnerstag im Monat treffen sich die Gärtner zum Austausch, wenn man sich nicht eh schon auf dem Feld trifft. Hier bekommt man Tipps und Tricks, Anleitung oder Samen zum Tausch.
 
"Man lernt oft mehr, wenn man die Natur beobachtet und nicht permanent regulierend eingreift.. Die Natur ist perfekt. Wenn etwas nicht so wird, wie wir uns das wünschen, haben wir einfach die falsche Vorstellung von dem, was passiert. Wer meint, mit Chemie die Natur beherrschen zu können, irrt sich. Langfristig wird sich das rächen, auch wenn wir kurzfristig Erfolg damit haben," sagt Gerolf Roider. Er setzt auf Perma- und "Verwahrlosungskultur", fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Er habe oft Mitleid mit Pflanzen, die von selbst keimen und eigentlich nicht für das Beet vorgesehen waren. So überwuchern die anfangs noch kleinen Vergissmeinnicht oder Ringelblumen die eigentlich gesäten Pflanzen.

Oder es bleibt auch mal ein Wirsing das zweite Jahr auf dem Feld.

Das hat allerdings auch Vorteile: Der Wirsing geht in Blüte und so kann er sich sein eigenes Saatgut gewinnen. Klar, dass er nur samenfestes Biosaatgut verwendet. Der Wirsing bildet im zweiten Jahr außerdem statt einem großen, viele kleine Köpfe aus, die man auch dann noch ernten kann.
 
Momentan ist eh Erntezeit auf seinem Feld:

Sellerie....

...oder Mangold wollen noch abgeerntet werden. Manche Pflanzen bleiben aber noch länger auf dem Acker.

Kräuter, wie Thymian

oder Gemüse wie der Feldsalat, auch Rapunzel genannt.

Der säht sich teilweise selbst aus oder dient auch mal als Beeteinfassung, damit das Gras nicht ins Beet hineinwächst. Zwischen seinen ringförmig angelegten Beeten befindet sich ein breiter Grasweg.

Damit ist das Feld auch bei Matschwetter gut betretbar und die Beete von allen Seiten gut erreichbar. Steht das Gras zu hoch, geht er einfach mit dem Rasenmäher drüber und nimmt den Grasschnitt zum Mulchen her. Diesen fermentiert er mit EM (effektive Mikroorganismen).

Zusätzlich verwendet er Molke und Pflanzenkohle, um die Pflanzengesundheit zu verbessern und Humus aufzubauen. Dazu mischt er diese zusammen in einen Topf und gibt sie zum Kompost oder direkt auf die Beete.

Die Pflanzenkohle stellt er im Sommer oft selbst her, in dem er trockenes Häckselgut aus dem Frühjahrsschnitt in einem Pyrolyseofenverbrennt. Im Winter stellt er Pflanzenkohle auch im Kachelofen her. Dazu verwendet er zwei einfache Blechdosen, die mit Sägespäne gefüllt sind. Wer dazu nicht die Möglichkeit hat oder falls sie doch einmal ausgehen sollte, kann nachhaltig produzierte Pflanzenkohle auch im Internet erwerben. Für diese Pflanzenkohle muss kein Baum gefällt werden, es reicht sogar Heu oder anderes Schnittmaterial.
 
Mit der EM-Methode sorgt er dafür, dass weniger Fäulnisprozess in Gang kommt. Das belebt den Boden und hält auch die Schnecken fern. Weniger Fäulnis, weniger Schnecken.
 
Seinen Boden verbessert Gerolf Roider desweiteren mit Kompost. Dazu hat er Kompostmieten angelegt.

Außerdem benutzt er Schafwolle. Allerdings nur Schmutzwolle, die nicht mehr verwendet werden kann, von einem Schäfer aus der Nachbarschaft.
 
Kunstdünger lehnt er kategorisch ab und auch gekaufte Hornspäne kommen für ihn nicht in Frage. Diese Hornspäne kommt teilweise von schlecht gehaltenen Tieren aus den Ostblockstaaten und das will er nicht unterstützen. Lieber nutzt er "eigenes Hornmaterial", wie Fingernägel oder Haare. Diese eignen sich gut, wenn sie "naturbelassen", also ohne Lack oder andere Farb- und Hilfsstoffe sind.
 
Dass sein Konzept aufgeht, sieht man an seinem Garten:

Der Grünkohl steht erntereif auf dem Feld.

Rosenkohl könnte auch demnächst auf dem Teller landen

genauso wie diese leckeren Salatköpfe.

Abgeertnet, aber im schönsten Herbstlaub gekleidet, steht da ein Blaubeerstrauch.
 
Dieser stammt von einer Sorte, die auch auf einem nicht saurem Boden gedeiht.
 
Viele seiner Sträucher hat er entweder geschenkt bekommen oder vermehrt sie selbst. So wie bei diesem Stachelbeerstrauch.

Hier kontrolliert Gerolf Roider, ob der Absenker, den er mit einem Stein beschwert hat, schon gewurzelt hat. Die Stachelbeeren dieser Sorte sind rot, aromatisch und relativ süß.
 
Vor dem Winter bereitet Roider noch seine Beete auf.
 
Er entfernt Unkräuter, wie die Quecke, die sich zu sehr verbreiten. Er mulcht, gräbt um und richtet neue Beete her. Dafür braucht man das richtige Handwerkszeug.

Gerolf Roider legt uns dazu eine besondere Grabgabel ans Herz. Durch einen speziell angebrachten Steg hat dieses Werkzeug eine besonders gute Hebelwirkung, was einem die Arbeit sehr erleichtert. Zu kaufen findet man sie oft unter dem Begriff Doppelgrabegabel.
 
Bevor er sich aber wieder an die Arbeit macht, um seinen Garten winterfest zu machen, schenkt er uns noch rote und orange Karotten, rote Zwiebeln, Wirsing... einen ganzen Arm voll leckeres Gemüse.

Und er entlässt uns mit noch etwas: mit einigen neu gewonnen Tipps und Tricks, Vorfreude (Die Kinder wollen nun auch Verwahrlosungskultur mit vielen Ringelblumen betreiben) und viel Motivation für unsere drei Hochbeete.
 
Vielen, herzlichen Dank dafür!
 

 
Es gibt mittlerweile in vielen Städten und Gemeinden solche Gemeinschaftsgärten. Im Internet oder bei Gartenverbänden bekommt man oft Tipps, wo auch bei dir in der Nähe Gemüseanbau ohne eigenen Garten möglich ist.