Diskussion zum neuen Altkleidergesetz: Wie sinnvoll ist die neue EU-Richtlinie?
- Kieselstein (Stefanie Kießling)
- 26. Jan.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Feb.
Die EU hat eine Richtlinie herausgegeben: Textilabfälle sollen nun getrennt vom Restmüll gesammelt werden, damit Recycling möglich wird. (Mehr dazu hier)
Allerdings geht Deutschland einen Sonderweg. Es setzt auf ein Altkleidersystem, das marode ist und es steht die Kritik im Raum, dass es nicht vernünftig umgesetzt wird.
Man möchte nämlich, dass doch keine stark zerschlissenen Klamotten eingeworfen werden. Lest dazu möglichst vorher noch den Artikel "Steht das Altkleidersystem vor dem Kollaps? Dürfen nun doch keine kaputten Klamotten hinein?". Erst dann ist wahrscheinlich für manche die ganze Diskussion dahinter erst klar.
Es gibt einige Kritik, Fragen und Meinungen zu diesem Thema. Wir schauen sie uns an.

Diskussion:
Die Frage ist also: Macht es Sinn, kaputte Kleidung in die Altkleidercontainer zu werfen?
Aus der Warte der Altkleidersammlungen und des Verband kommunaler Unternehmen gesehen nicht - bis dato. Aber deckt das alle Interessen ab? Ist das immer sinnvoll?
Wann wird die EU-Richtlinie dann komplett umgesetzt?
Laut dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU), wenn die "Herstellerverantwortung umgesetzt sowie Recyclinglösungen entwickelt und etabliert sind." (7)
Ein konkretes Datum gibt es also nicht. Es hakt an der Finanzierung.
Wer entscheidet also, wann genug Geld dafür da ist? Und was ist ausreichend? Sollte man Unternehmen das festlegen lassen oder sollte das nicht unabhängig kontrolliert werden? Diskutiert wie immer gerne in den Kommentaren mit!
Wird damit das Gesetz ausgehebelt und auf die lange Bank geschoben?
Man wollte mit dem Gesetz europaweit die Grundlage für genug Recyclingmaterial schaffen: Ist genug gutes Material verfügbar und günstig genug, dann siedeln sich auch potentielle Recyclingunternehmen sich ansiedeln. Der Markt dafür muss attraktiv sein und die Infrastruktur dafür stimmen. Die Beschaffung von Material darf kein Problem darstellen. Jetzt möchte man aber warten bis es genug Recyclingmöglichkeiten gibt. Ist es ok den Spieß umzudrehen? Wenn festgelegt wird als erstes die Grundlagen zu schaffen, darf Deutschland eigenmächtig sagen, dass es nicht finanzierbar ist.
Darf es an der Finanzierung scheitern? Andere Länder müssen sogar von Grund auf ein Getrenntsammelsystem erstellen und das finanzieren.
Deutschland müsste das nur teilweise, weil man auf ein bestehendes Altkleidersystem zurückgreifen kann. Sie sollten lieber schon die nächsten Schritte tun, wie Altkleidercontainer für kaputte Klamotten aufstellen, damit caritative Einrichtungen entlastet werden.
Sprechen wir Tacheles: Es sollen im Endeffekt nur tragbare Klamotten eingeworfen werden.
In manchen Pressemitteilungen oder Verlautbarungen heißt es zwar "keine stark zerschlissenen oder stark verschmutzten Klamotten" oder ausschließlich "verwertbare". Solche schwammigen Aussagen sind aber nur verwirrend und irreführend.
Wann sind denn Klamotten noch verwertbar? Das ist für die Bürgerinnen und Bürger nicht sofort erkenntlich.
Eine kaputte Wollmütze könnte ja Dämmmaterial werden. Darf sie nun rein oder nicht. Ist der kaputte Socken zu verschlissen oder geht das noch?
Im Endeffekt wollen die Betreiber keine kaputten, zerrissenen oder nicht tragbare Kleidungsstücke. Sonst können sich die Altkleidersammlungen nicht finanzieren. Manche Einrichtungen und Kommunen kommunizieren das auch offen, manche nicht. Denn immerhin gibt es ja ein Gesetz, das man eigentlich einhalten muss.
Im Gesetz spricht man aber nicht nur von tragbaren Klamotten, sondern generell von Textilabfällen. Abfällen. (2)
Ist dieses Vorgehen eigentlich gerecht?
Angenommen: Peter kauft nur das Nötigste und nur das, was er wirklich braucht. Er trägt seine Kleidung auf bis er sich damit nicht mehr im Büro zeigen kann. Er möchte sie nun entsorgen. Da sie nicht mehr tragbar ist, muss er das über die Restmülltonne. Das bedeutet über das Jahr gesehen höhere Müllgebühren für ihn. Dagegen stehen Konsumopfer, die Fast Fashion kaufen und ihren "Kleiderschrank alle paar Monate ersetzen". Trägt man Kleidung wenig, geht sie weniger kaputt. Klar. So können solche Leute ihre Altkleider kostenlos entsorgen.
Unterstützt man damit nicht übermäßigen und gedankenlosen Konsum? Werden damit nicht wieder die bestraft, die sich für Umweltschutz einsetzen?
Fördert man damit nicht den Textilkonsum? Steht hoher Konsum nicht im Gegensatz zu einer Kreislaufwirtschaft? Schließlich vermittelt ein Kleiderspende das Gefühl etwas Gutes getan zu haben.
Es gibt nicht genug Absatzmarkt für gebrauchte Textilien.
Einiges ist auch aus der Mode oder schlechter Qualität. So werden auch gute, moderne und tragbare Klamotten entsorgt, bestenfalls recycelt und geschreddert.
Wo ist konkret der Unterschied zu kaputten Klamotten?
Beispiel: Peter hat ein hochwertiges Hemd mit einem Riss z.B. aus Baumwolle.
Damit kann man genauso wenig Geld verdienen wie mit den vielen übergebliebenen Textilien oder dem außer Mode gekommen Rock aus Mischgewebe.
Aber was ist mit Recycling oder Weiternutzung? Beim Recycling würden die Textilabfälle geschreddert werden. Stoffe aus Wolle oder auch Baumwolle oder Leinen sein sind besser recycelbar als Mischgewebe oder billige Kunstfaser. Damit hätte Peters kaputtes Hemd höhere Chancen für die Weiterverwertung oder Recycling als der intakte Rock aus Mischgewebe. Sollte also nicht auch das Material ausschlaggebend sein?
Der VKU will warten bis "Recyclinglösungen entwickelt und etabliert sind". Hier haben wir das "Henne-Ei-Problem". Was soll als erstes etabliert werden? Die Getrenntsammlungspflicht und ausreichend Recyclingmaterial zu günstigen Preisen? Oder Recyclingfirmen?
Die EU hat mit der Umsetzung der Richtlinie vorgegeben, dass die Getrenntsammlungspflicht ab 1.1.2025 umgesetzt wird, damit es für Firmen attraktiv ist, in den Recyclingsektor zu investieren.
Warum unterstützen die Kommunen die Altkleiderbetreiber nicht finanziell?
Immerhin bieten sie die Infrastruktur für die Getrenntsammlungspflicht von Textilabfällen?
Andere Länder der EU müssen auch eine Infrastruktur für die Entsorgung der Altkleider auf die Beine stellen. Einige haben auch kein Altkleidercontainersystem wie in Deutschland.
Was wäre möglich, um zu unterstützen?
Eigene Container aufstellen:
Es wäre auch denkbar, dass die Gemeinden und Städte eigene Container aufstellen oder nur welche für kaputte Klamotten als Übergangslösung. Das könnte man über die Abfallgebühren erstmal refinanzieren. (6)
Schifferstadt gab beispielsweise auf Facebook bekannt, dass keine Alttextilien mehr in die Restmülltonne dürften. Man möchte zusätzlich zu den caritativen und gewerblichen Sammlern ergänzende Möglichkeiten anbieten.
Die Stadt Rosenheim gab an "Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur ist nicht vorgesehen, weil die Stadt Rosenheim nicht in Konkurrenz zu den sozialen Organisationen treten möchte."
Die Abfallwirtschaft München (AWM) antwortete, dass sie die EU-Vorgabe zur Getrenntsammlungspflicht seit 2013 schon erfüllen und Änderungen nicht erforderlich seien.

An der Finanzierung unbürokratisch beteiligen.
Kommen und Landkreise könnten sich auch an der Finanzierung beteiligen.
Auch auf Nachfrage wollte die AWM (an die hatte die Stadt München die Anfragen weitergeleitet) nicht darauf antworten, ob man sich an der Finanzierung der Kosten für die Entsorgung der Altkleider beteiligen und damit die Sammler unterstützen möchte. Diese Frage ließ die Stadt Rosenheim übrigens ebenso unbeantwortet.
Entsorgungskosten übernehmen
Die Stadt Rosenheim allerdings gab an, einen Anteil an den Entsorgungskosten zu übernehmen. Das machen übrigens wenige Kommunen. Es wäre also auch noch eine drehbare Stellschraube, den Altkleiderverwertern ein Kontingent für die Verbrennung bereitzustellen.
Standortgebühren entfallen lassen.
Der Bund für Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., kurz bvse, forderte ja(5):
"Wir appellieren an alle Beteiligten – kommunale, gewerbliche und private Stellplatzgeber – auf die Erhebung von Gebühren zu verzichten. Nur durch diesen Schritt können wir sicherstellen, dass die Sammlung und hochwertige Verwertung von Alttextilien und Altschuhen in Deutschland weiterhin gewährleistet bleibt."
Dieser Aufforderung kamen bis dato nicht alle Kommunen nach.
Die Frage ist natürlich auch: sollen die Kommunen und indirekt die Bürger dafür finanziell aufkommen oder die Hersteller? Sie produzieren ja zum Großteil nicht recycelbare Klamotten. Die EU möchte die Hersteller deshalb zur Kasse bitten mit der erweiterten Herstellerverantwortung (mehr dazu in diesem Artikel). Vor 2027 wird das aber sicher nicht der Fall sein. Es ist also nur eine langfristige Lösung.
8. Warum wurde nicht eher gehandelt und sich eine funktionierende Lösung für die Finanzierung ausgedacht?
Immerhin gab es die Novelle schon seit 2018 und 2025 wurde sie als Bundesgesetz durchgesetzt.
Der bvse gab im Mai 2023 bekannt: "Für die Ausgestaltung der Sammlung existieren im novellierten Kreislaufwirtschaftsgesetz jedoch keine Vorgaben, und wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass die kommunale Getrenntsammlungspflicht von den in Deutschland etablierten und gut funktionierenden gewerblichen, gemeinnützigen und kommunalen Sammlungen bereits erfüllt wird. Hier wurde durch alle Beteiligten ein bundesweit flächendeckendes, lückenloses Angebot zur Annahme der Alttextil-Fraktionen geschaffen." (9)
Der Verband kommunaler Unternehmen, kurz VKU, hatte auf die schwierige Finanzierung hingewiesen. Auch die erweiterte Herstellerverantwortung wurde von ihm mit Nachdruck ins Gespräch gebracht und für wichtig erachtet.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern steht Deutschland ohnehin gut da. Bis zu 65% der Altkleider werden schon seit vielen Jahren eingesammelt. Dieses Ergebnis müssen andere Länder erst erzielen.
Theoretisch könnte man jetzt noch mehr einsammeln. Dem steht aber die Finanzierung entgegen. Noch.
Warum bauen Kommunen keine eigene Strukturen auf?
Es gibt zwei Gründe, weshalb manche das gut fänden:
Ist es sinnvoll auf ein Altkleidersammlungssystem zu setzen, das finanziell auf wackeligen Beinen steht?
Hierbei geht es um die Entsorgung von Textilabfällen, die Sammelinfrastruktur und die Zukunft unseres Textil-Recyclingsystems. Wer weiß, ob die Absatzmärkte durch Fast Fashion und "Ultra Fast Fashion" - Anbieter, meist aus China, nicht komplett zusammenbrechen?
Warum bauen Kommunen also keine eigene Strukturen auf?
Man muss bedenken:
Altkleidercontainer wurden ursprünglich nicht zum Zweck der Müllentsorgung aufgestellt.
Das kam als gerne gesehener Nebeneffekt dazu. Aber in erster Linie wollte man Altkleider sammeln, um sie den Bedürftigen zukommen zu lassen. Daraus entwickelte sich ein Geschäftsmodell, wodurch sich caritative Einrichtungen finanzieren konnten. Letztendlich kamen sogar gewerbliche Ankäufer dazu, um second hand Ware zu verkaufen und Geld zu verdienen. Aber Müllentsorgung war nicht die ursprüngliche Intention.
Die caritativen Einrichtungen sind auch wichtig für die Einwohner. Deshalb möchte man denen nicht im Weg stehen. Also greift man auf das bestehende Altkleidersystem zurück.
Natürlich hat das auch finanzielle Gründe. Es wäre für Kommunen und Bürger teurer ein eigenes Sammelsystem auf die Beine zu stellen, wie im vorherigen Artikel schon beschrieben.
Manche Menschen wollen keine Altkleidersammlungen unterstützen, die Klamotten ins Ausland verkaufen.
Das hat unterschiedliche Gründe wie z.B. dass sie illegale Mülldeponien, Umweltverschmutzung und Zerstörung des Lebensraums fürchten oder dass damit eigene Textilstrukturen in afrikanischen Ländern behindert werden. Ins Ausland verkaufen aber eigentlich fast alle Organisationen.
Wenige Menschen wollen zudem keine kirchlichen Institutionen unterstützen.
Bei einer kurzen Stimmungsumfrage auf Instagram kam folgendes Ergebnis heraus: 42% würden in bestehende Altkleidercontainer einwerfen, 13% nicht, 45% würden nur in Container von Stadt und Gemeinde einwerfen wollen, die dann auch für Recycling und Weiterverwertung garantieren.
Habt ihr noch Fragen und Gedanken dazu?
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(1) Ab dem 01.01.2025 sind die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG = Bundesabfallgesetz) verpflichtet, die getrennte Sammlung und Verwertung von Alttextilien sicherzustellen.
(2) § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KrWG, Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG)§ 20 Pflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger
(3) Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 11.07.2017 (Az. 7 C 35.15)
(4) www.bvse.de
(5) Appell des bvse an die kommunalen Spitzenverbände: https://www.bvse.de/dateien2020/2-PDF/02-Presse/06-Textil/2024/Dringender_Appell_zur_Rettung_des_Textilrecyclings.pdf
(6) Beschafft die Stadt oder Gemeinde Alttextilien-Containern, so können diese über die Abfallgebühr im Rahmen der kalkulatorischen Abschreibung und Verzinsung finanziert werden. Anerkannt ist, dass z. B. kommunale Abfallgefäße über einen Zeitraum von 10 Jahren über die Abfallgebühren refinanziert werden können (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.09.1991 – Az.: 9 A 570/90 -; Queitsch in: Bleicher/Queitsch/Wilden-Beck, Abfallrecht, 3. Aufl. 2024, S. 304°).
(7) Pressemitteilung des VKU "Getrenntsammlungspflicht für Alttextilien gemeinsam und mit Weitsicht umsetzen" vom 10.12.2024
Die Europäische Kommission hat am 5. Juli 2023 einen Vorschlag zur Änderung der Abfallrahmenrichtlinie vorgelegt. Der Vorschlag entspringt dem Auftrag an die Europäische Kommission aus der Revision der Abfallrahmenrichtlinie von 2018, für Lebensmittel- und Textilabfälle weitergehende Maßnahmen zur Abfallvermeidung bzw. zur Stärkung der Vorbereitung zur Wiederverwendung und des Recyclings zu ergänzen. (...) Alttextilien sind bereits ab dem 01.01.2025 getrennt vom Restmüll zu sammeln. Dabei muss für private Verbraucherinnen und Verbraucher die Rückgabe der Alttextilien kostenlos sein. Entsprechende Sammelsysteme müssen orientiert an der Bevölkerungsdichte eingerichtet werden.
In diesem Artikel sind Statements enthalten, die ich zur Veröffentlichung angefragt habe.
Hi, ich musste leider feststellen das man hier schon mal wesentlich weiter war wie man heute ist. Vor ein paar Jahren war es hier noch so das eine Firma gesammelt hat die explizit angegeben hat das auch kaputte verfleckte oder sehr abgetrage Sachen in die Container sollen da aus diesen Textilien Malerflies oder Material für die Auto Industrie gemacht wurde. Irgendwann wechselte die Firma und es war vorbei. Nun hab ich hier in der Presse verfolgt wie es in unserem Landkreis laufen soll. Auch hier sollten weiter nur tragbare Sachen in die Container. Für andere will der Landkreis in der Kreisstadt beim Abfallentsorgungszentrum einen Container aufstellen. Die Stadt ist von hier 25 km entfernt und es gibt noch Orte d…
Ich glaube, dass die sich eine andere Einnahmequelle suchen müssen, um ihre wohltätigen Einrichtungen zu finanzieren. Vielleicht sollten sie ins Recyclinggeschäft einsteigen.