Wie kann man eine Firma nachhaltig und plastikfrei führen – ohne pleitezugehen?
- Stefanie Kießling

- vor 3 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen
-Ein Blick hinter die Kulissen von Gaiagames -
Ein nachhaltiges Geschäftsmodell – Gaiagames als Vorbild
Gaiagames ist ein ökologischer und enkeltauglicher Brettspielverlag aus Deutschland und besteht nun schon seit 2015, also seit zehn Jahren. Von Anfang an produzierten Micha Reimer und Kevin Luhn ihre Brettspiele plastikfrei. Sie beweisen, dass nachhaltig wirtschaften und finanzielle Stabilität kein Widerspruch sind.
Sie nutzen Holz, Papier oder auch Bohnen als Spielsteine.

Der Klebestreifen, der die Verpackung zusammenhält, ist auch plastikfrei. Der Anspruch: Alle Komponenten sollen komplett recycelbar oder kompostierbar sein. Zudem wollen sie mit ihren Spielen für wichtige gesellschaftliche Themen sensibilisieren.

Die Köpfe von Gaiagames denken sogar noch weiter: Sie nutzen erdölfreie Farben.
Da ist mein Zero-Waste-Herz gleich einmal hochgehüpft.
Erdölfreie Farben sollten meiner Meinung eigentlich immer ein „Muss“ sein.
Zero Waste Wissen:
Warum erdölfreie Farben so wichtig sind für eine Kreislaufwirtschaft:
Kommen erdölhaltige Druckerfarben ins Altpapier, kann man sie nicht zu 100 % herausfiltern. Rückstände findet man somit im Recyclingpapier. Immer seltener wird Recyclingfaser deshalb für Lebensmittelverpackungen verwendet. Das Problem ist: Die Erdölrückstände können in unser Essen übergehen (migrieren). Einige Erdölrückstände sind sogar potenziell krebserregend.
Erdölrückstände sind neben Ewigkeitschemikalien wie PFAS oder Hormonstörer (z. B. Bisphenole) ein Grund, weshalb Lebensmittelproduzenten vorsichtshalber auf Frischfaser statt Recyclingpapier bei Papierverpackungen setzen. Diese erdölhaltigen Farben sind eh schon nicht umweltfreundlich. Dem nicht genug: Sie sorgen dafür, dass ein Papierrecycling nicht sicher für unsere Lebensmittel und unsere Gesundheit ist. Das ist ein Störfaktor in der Kreislaufwirtschaft, dem Ziel von Zero Waste.
Sind nachhaltige Farben nicht viel teurer? Ja - aber...
Tatsächlich sind Pflanzenfarben häufig teurer als erdölbasierte Farben.
Das wirkt sich natürlich auch auf den Preis aus. Trotzdem schafft es Gaiagames die Preise niedrig zu halten, damit möglichst viele Spielbegeisterte sich die Spiele weiterhin leisten können.
💰 Humane Preise trotz Nachhaltigkeit – wie geht das?
Kevin von Gaiagames erklärt im Interview: „Wir wollen unsere Preise so niedrig wie möglich halten, um kein klassistisches Ausschlusskriterium schaffen. Unser Ziel ist es nicht, das große Geld zu machen."
Kooperation und untypische Vertriebswege
Wir setzen deshalb weniger auf klassische Großhändler*, sondern bleiben beim Direktvertrieb. Dort verdienen wir mehr, weil weniger Abschläge auf Zwischenhändler* fallen. Außerdem vertreiben wir über Spieldirekt. Das ist ein Zusammenschluss kleiner Verlage. Wir gehen auch mal ungewöhnliche Wege und so findet man uns auch auf Märkten und Festivals. Das ist eigentlich nicht üblich in der Branche.“
Dass das funktioniert, zeigt auch ihre Auflage. 2000-5000 Stück sind im Brettspielbereich sehr viel. Der Großteil der Spiele hat nur eine Auflage von bis zu 1000 Exemplaren.
Nachteil ist allerdings (eher für die Kunden), dass man diese Spiele nicht in den typischen Kaufhäusern oder Spielwarenabteilungen findet.
Spielprinzip: Einfach – aber mit Tiefe und Bildung
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist ihre breite Zielgruppe, da Gaiagames die Regeln möglichst einfach hält. Manche Brettspiele haben mittlerweile ja ein Regelwerk, welches einem kleinen Handbuch gleicht.
Zielgruppe sind alle Menschen ab acht Jahren und sind als Familienspiel ausgelegt. Sie haben ein eher simples und leicht verständliches Spielprinzip. Durch die Dynamik und die verschiedenen Module (Zusatzregeln, Sonderkarten etc.) wird es trotzdem nicht langweilig.
Die Spiele von Gaiagames greifen Themen wie Natur, Umwelt, Politik und Bildung auf.
Fish´n´Flips

Bei "Fish´n´Flips beispielsweise, einem Kartenspiel, überrascht vor allem das Thema des Spiels. Normalerweise werden ja Fische gefangen. In diesem Spiel versuchen wir aber die Fische freizulassen und aus einem Fangnetz zu retten,“ sagt Kevin von Gaiagames.
Generell sollen die Spiele nicht den erhobenen Zeigefinger auspacken, sondern Spaß bereiten. Wer sich näher mit dem Thema befassen will, kann das ohne Zwang z. B. mit Zusatzmaterial tun.
Wie groß ist aber dann der Einfluss auf das Umweltbewusstsein der Kunden?
Auf einer Skala von 1 bis 10 schätzt Kevin: „8! ... Wahrscheinlich 5. Die meisten spielen, weil es Spaß macht.“
Zusammenarbeit mit Experten* oder Wissenschaftlern* als Qualitätsmerkmal
Jedes der Gesellschaftsspiele bringt einen Bildungsaspekt mit ein. Dafür arbeitet Gaiagames mit NGOs oder Wissenschaftlern zusammen.
🦕 Paleogon
Für ihr nächstes Spiel Paleogon analysieren sie in Zusammenarbeit mit Dinosaurierexperten* „Dino-Kotze und K@cke“. Ziel ist herauszufinden, was die Urzeitriesen damals gefressen haben. Diese Infos sollen als zusätzlicher Mehrwert ins Spiel eingebaut werden: Spielen und ganz nebenbei Wissen sammeln. Das ist beispielsweise auch schon bei Fish´n´Flips gelungen. Das Kartenspiel macht auf die Bedrohung von Meerestieren durch Überfischung und Plastikmüll aufmerksam. Ein Angebot ohne erhobenen Zeigefinger.
🔎 Nachhaltigkeit in jedem Detail – sichtbar und unsichtbar
Ein paar Sachen fallen sofort ins Auge, wenn man einen Blick auf ein Spiel von Gaiagames wirft.

kompostierbare Klebestreifen als Verschluss für das Spiel
Die Inlays sind nachhaltig, plastikfrei und platzsparend produziert. Bei Ecogon können sie sogar aus den Stanzbögen gebastelt werden.
Upgecycelte Materialien z.B. Bohnen, die beim Brettspiel Ecogon als Spielsteine dienen.
Manche Sachen sieht man dagegen nicht beim Hinsehen, sondern erfährt sie erst beim Nachfragen. Nichtsdestotrotz sind sie ausschlaggebend und interessanterweise gleichzeitig die „No-Gos“ für den umweltfreundlichen Brettspielhersteller.
❌ Absolute „No-Gos“ von Gaiagames
Produkte mit Verschiffung
Weite Transportstrecken und Materialien von anderen Kontinenten.
Mogelpackungen (unnötiger Leerraum)
Spiele ohne gesellschaftlichen Mehrwert
Keine Transparenz bei Arbeitsbedingungen
Schlechte Arbeitsbedingungen: Bei Mitarbeitern* legen sie Wert auf eine gute persönliche Zusammenarbeit und damit ein angenehmes Arbeitsklima
Nachdenklich meinte Kevin zum Schluss, dass sie wohl mehr „No-Gos“ als „Go“s haben.
Frage an Euch: Ist es schlimm mehr „No-Gos“ zu haben, wenn ein großes „Go“ herauskommt? Schreibt gerne in die Kommentare!
Im Interview haben mein Mann Daniel und ich gemerkt, wieviel Herzblut, Zeit und Wissen die Spieleentwickler in ihre Gaiagames stecken. Was Umweltfreundlichkeit angeht, machen sie keine Kompromisse – auch wenn es auf Kosten ihres eigenen Profits geht. Sie zeigen aber auch, dass es möglich ist.
Fazit: Wie kann eine Firma nachhaltig arbeiten und sich auf dem Markt behaupten?
Eine Firma kann definitiv nachhaltig und plastikfrei wirtschaften, ohne dabei pleitezugehen, indem sie vollständig recycelbare Materialien nutzt, auf erdölfreie Farben Wert legt, auf Direktvertrieb statt Großhändler* setzt, transparente Lieferketten pflegt und Produkte mit echtem gesellschaftlichem Mehrwert entwickelt. Die Glaubwürdigkeit steht dabei an erster Stelle. Gaia Games zeigt seit 2015, dass ein ökologischer und wirtschaftlich stabiler Betrieb im Brettspielbereich möglich ist.
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Welche Alternativen es gibt, liste ich euch hier auf.
Wenn ihr noch mehr solcher Vergleichsfotos sehen wollt, dann schaut gerne in die Galerie des Verpackungswahnsinns.
Hier findet ihr nicht nur die Bilder, sondern mit einem Klick darauf auch die Lösungen und Simple Swaps.









Sehr schöner Artikel! Gerne mehr zu Brettspielen! Gibt es da nicht andere Verlage, die so denken?
Ich bin beim Lesen nur über die Sternchen gestolpert und habe zuerst die Fußnote gesucht, bis ich verstanden habe, dass es inklusive Sprache ist.